Die Illusion der vollen Kontrolle in einer Kinderwunschbehandlung
Im Nachgang zu zahlreichen Kinderwunschbehandlungen und inspiriert durch Gespräche mit Betroffenen und Experten, möchte ich Menschen, die eine Behandlung in einer Kinderwunschklinik planen oder sich bereits darin befinden, eine Idee mit auf den Weg geben: Auch wenn im Rahmen einer KInderwunschbehandlung, wie etwa einer künstlichen Befruchtung Vieles kontrolliert werden kann, so bedeutet dies nicht, dass alles kontrolliert werden kann. Mir selbst ist es passiert, dass ich ohne mir dessen bewusst zu sein, gedacht habe, die Ärzte und ich, wir hätten alles unter Kontrolle. Wie das kam? Dafür gibt es viele Gründe. Einer davon ist, dass Menschen, die sich in solche einem Prozess in einer Kinderwunschklinik befinden, alles so gut verfolgen können. Wie viele Follikel wachsen, wie schnell, wie groß sind sie, wie dick ist die Gebärmutter, wir bestimmen im Zuge einer künstlichen Befruchtung (IVF) den Zeitpunkt des Eisprungs, den Zeitpunkt des Transfers unseres Embryos. Und, ohne dass wir es merken, suggeriert uns dies zumindest in Teilen, dass alles unter Kontrolle ist. Sprich, dass uns das Baby sicher ist. Auch, wenn wir dies so nie sagen oder denken würden. Es ist ein sehr subtiler Vorgang. Wenn Ärzte in Kinderwunschkliniken alles unter Kontrolle hätten, dann hätte jede professionell geführte Kinderwunschklinik eine Baby-take-home-rate von 100%. Dem ist nicht so. Weil es auch bei einer Kinderwunschbehandlung, bei der so viel kontrolliert wird, viele Komponenten gibt, die nicht kontrolliert werden können. So etwa, wie der Körper auf die Stimulation reagiert, wie viele Eizellen während eines IVF Prozesses generiert werden, wie viele Eizellen sich befruchten lassen, wie die befruchteten Einzellen sich weiter entwickeln nach 3, nach 5 Tagen, inwiefern die Gebärmutter auf den Transfer vorbereitet werden kann, sich der Embryo einnisten kann, sich weiter entwickeln kann. Dies sind nur ein paar wenige Aspekte und wir können sie allesamt nicht vollständig kontrollieren. Die Ärzte schaffen ein Maximum an Möglichkeiten, versuchen die Wahrscheinlichkeit maximal zu erhöhen. Wir selbst tun unser Bestes durch gute Ernährung und Schlaf. Und dann? Ja, dann passiert das Leben. Genau dies verursacht aus meiner Sicht diese unglaublichen Gefühle von Ohnmacht. Obowhl wir alles so genau wissen, zu fast jedem Zeitpunkt die volle Transparenz über den Fortschritt des Prozesses haben. Und obwohl wir so viel von unserer Kraft, unseren Ressourcen und unseren Finanzen investieren, können wir das Ergebnis doch nur so wenig beeinflussen. Mich selbst hat dies oft an den Rand der Verzweiflung gebracht. Dieser unfassbar große Wunsch, diese Sehnsucht nach einem Kind, diese große Kraftanstrengung und dann dieses Nicht-Wissen um das Ergebnis, um den Erfolg. Diese Ohnmacht. Ohnmacht entsteht, wenn wir etwas wollen und das Gefühl haben, wir können nichts dafür tun, uns nicht bemühen.
Was machen wir nun damit? Wie gehen wir mit diesem Teil um, den wir nicht kontrollieren können, der außerhalb unseres Einflussbereiches liegt? Das mag jetzt esoterisch klingen: Wir dürfen loslassen. Sie dürfen loslassen und Ihrem Körper vertrauen, dass er das bestmögliche tut, damit Sie schanger werden und am Ende Ihrer Schwangerschaft ein gesundes Kind nach Hause nehmen. Genau so, wie Sie Ihrem Körper auch bei all den anderen Aspekten des Lebens vertrauen, dass er sich bestmöglich um sich selbst kümmert und damit für Sie. Dass er daran denkt, zu atmen, dass er Ihren Körper bestmöglich mit den Nährstoffen versorgt, damit es Ihnen gut geht. Einerseits ist dieses Loslassen mitten in einem Kinderwunschprozess und einer Behandlung in einer Klinik unglaublich schwer. Es macht Angst, loszulassen. Die Verantwortung an das Leben, an den Körper abzugeben. Gleichzeitig kann es auch entlastend sein, nicht für alles die Verantwortung zu haben und haben zu müssen. Es hilft, zu wissen, dass auch der Körper Verantwortung übernehmen kann und das tut er sehr zuverlässig jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde. Natürlich wissen wir nicht, ob wir am Ende schwanger werden und ein gesundes Baby nach Hause nehmen. Und es ist auch nicht unsere Verantwortung. Man kann dies noch weiter denken. Es ist nämlich auch nicht unsere Verantwortung, wenn es dieses Mal nicht geklappt hat mit dem schwanger werden. Verantwortung abzugeben und loszulassen, kann auch sehr entlastend sein. Einfach ist es allemal nicht. Der Einsatz von Mantras oder Glaubenssätzen ist aus meiner Sicht etwas überstrapaziert und ich glaube nicht, dass sie die Erfolgschangen erhöhen. Ich glaube aber sehr wohl, dass sie uns helfen, uns wohler zu fühlen und uns zu entlasten und positiv zu stimmen und uns damit im Prozess einer Kinderwunschreise und dem Loslassen zu unterstützen. Hier ein paar Ideen. Bitte schauen Sie, was sich stimmig anfühlt. Das könnte etwa sein: „Ich vertraue meinem Körper“. Oder: „Mein Körper ist gesund und bereit, schwanger zu werden“. Oder: "Ich lasse los und vertraue meinem Körper".
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