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Kinderwunschblog

Auf meinem Kinderwunsch Blog schreibe ich über die verschiedenen Aspekte rund um das Thema unerfüllter Kinderwunsch und wie Ihr damit umgehen könnt. Sei es als Singe-Mann, Single-Frau oder als Paar. Dabei umfassen meine Beiträge emotionale, soziale, psychische und medizinische Aspekte sowie Informationen zu bestimmten Fragestellungen wie Ablauf einer Kinderwunschbehandlung oder der Auswahl eines passenden Kinderwunschzentrums. Wenn Ihr Euch einen Blogbeitrag zu einem ganz bestimmten Thema wünscht, schreibt mir doch gerne.

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  • Daniela Zeibig

Interview: Abschied vom Kinderwunsch – wenn das zweite Kind endgültig nicht kommt

Aktualisiert: 3. Apr.

In einem anderen Blog habe ich bereits mit Kerstin M., die ich im Zuge meiner Arbeit als psychosoziale Kinderwunschberaterin kennenlernen dufte, über ihren Geschwister-Kind-Wunsch gesprochen, der sich leider nicht erfüllen ließ. Sie hat einen 5-jährigen Sohn, den sie über alles liebt und sie hat inzwischen mit dem Wunsch auf ein zweites Kind abgeschlossen. Was das heißt, darüber durfte ich mit ihr sprechen und möchte dieses Interview heute mit Euch teilen, denn ich finde es für meine Leser greifbarer und näher am Leben, wenn sie von anderen Menschen hören (bzw. lesen), denen es so oder so ähnlich geht wie ihnen selbst.


Kerstin, Du hast ein Kind, einen Sohn, der heute 5 Jahre alt ist. Woher wusstest Du eigentlich, dass Du Deinen Frieden geschlossen hast mit einem Kind?

Das ist garnicht so leicht zu sagen. Du sprichst es aber schon in Deiner Frage an: Ich habe einen Frieden in mir gespürt. Es war wirklich etwas ganz körperliches. Eine Art Entspannung. Ich habe wieder Raum gespürt. Das ist in Worten schwer zu erklären. Vielleicht kann es der eine oder die andere nachvollziehen, was ich meine. Ich habe nicht mehr darüber nachgedacht, was ich noch tun könnte, um ein zweites Kind zu bekommen. Das war ein langer Prozess und dieser Zustand, der ist ganz leise eingetreten. Wie ein Hauch. Auf einmal war da Friede wo vorher Kampf war. Gleichzeitig war dann aber auch die Trauer da. Was ja irgendwie klar ist. Vorher war da Hoffnung und auch Trauer, aber jetzt war es eben nicht diese verzweifelte Trauer sondern eine ruhige Trauer. Ganz tief war die, aber eben nicht aufwühlend. Sie hat ja nicht hinterfragt. Es war ja klar.


Das klingt sehr reif, sehr klar. Denkst Du, es könnte passieren, dass eine gute Freundin überraschend doch noch ein 2. Kind bekommt und dann machst Du das Thema doch wieder auf?

Nein. Da ist zwar noch so ein kleiner Restzweifel. Der nagt aber nicht mehr so sehr. Früher hat der mich in den Wahnsinn getrieben. Mache ich genug, kämpfe ich genug, soll ich ins Ausland gehen, habe ich alles getan. Haben wir alles getan. Werde ich es eines Tages bereuen? Wird es mir mein Kind vorwerfen? Das ist jetzt nicht mehr so. Ich habe mich weiter entwickelt. Unser Sohn hat einen wundervollen Kindergarten, ich habe mich selbständig gemacht. Ich habe mich einfach für einen Weg entschieden, ohne, dass ich das explizit gemacht habe. Im Grunde habe ich entschieden und bin dann mit dieser Entscheidung weiter gegangen und habe geschaut und gespürt, wie sie sich anfühlt. Und ich bin dabei geblieben. Ich hätte mich auch anders entscheiden können. Noch 3 Jahre weiter versuchen. Ob ein Kind dabei heraus gekommen wäre, weiß keiner. Klar ist aber, dass ich die Zeit, die ich jetzt für mich, für unsere Familie, für unseren Sohn habe, dass ich die nicht hätte. Ich habe mich gegen ein 2. Kind, gleichzeitig auch für meine Familie und meinen Sohn entschieden. Wenn mein Gedankenkarussell wieder anfängt, sage ich: Danke, ich habe mich entschieden, dass es so wunderbar ist. Ich strenge mich an, den gewohnten Gedanken nicht Einhalt zu bieten. Ich sage auch nicht: Hey, weg mit Dir. Ich sage: Ja, Du willst sichergehen, dass ich mich richtig entschieden habe. Und ich sage Dir, keine Sorge, es ist alles gut so. Das kostet mich sehr viel Kraft, weil ich vom Typ her anders bin.


Ich sage meinen KundInnen, dass eine Entscheidung gegen den Kinderwunsch oder gegen ein 2. Kind nicht heißt, dass man sie nicht ab und an betrauert. Beides darf nebeneinander existieren. Zu trauern heißt ja auch nicht, dass die Entscheidung falsch war.

Du sprichst da etwas ganz Wichtiges an. Am Anfang war das nämlich genau so bei mir. Ich bin traurig geworden, wenn ich irgendwo eine Mama oder einen Papa mit 2 Kindern gesehen habe. Und habe dann gedacht, ich müsste jetzt handeln. Fast so, als ob einem die Traurigkeit zuviel ist und man will sie weghaben. Klar, ich will ja nicht ohnmächtig dastehen und nichts tun sondern ich will was tun. Das hat sich aber geändert. Heute bin ich auch noch manchmal traurig, dass es so ist. Und klar frage ich mich manchmal, wie es wohl gewesen wäre mit einem 2. Kind. Aber ich hinterfrage die Entscheidung nicht mehr deswegen.


Viele Leser werden sich fragen, wie sie dahin kommen können, wo Du bist. Zu einem Entschluss, der sich richtig anfühlt. Gleichzeitig wissen wir, dass es für jeden ein anderer Prozess ist und dass es da nicht einen Weg gibt, sondern viele.

Ich glaube auch, dass das sehr individuell ist. Ich selbst tue mich mit Entscheidungen sowieso schwer, entsprechend ist mir diese extrem schwer gefallen. Ich habe irgendwann am Anfang des Prozesses mit meinem Mann eine Pro-Contra-Liste gemacht. Da standen bei Pro 2 Punkte und bei Contra 10 glaube ich, also, sehr viel mehr. Das war dann der rationale Teil. Der emotionale hat natürlich etwas ganz anderes gesagt und klar, man hätte die Punkte noch gewichten können. Ich finde Pro-Contra-Listen erst mal gut, um sich einen Überblick zu verschaffen. Dann, das hab ich bei unserem letzten Gespräch schon erwähnt, kann es helfen, mal mit einer Option ein bisschen loszulaufen. Ich hab das ja erst mit der Möglichkeit gemacht, nochmal in eine Kinderwunschklinik zu gehen. Das Erstgespräch habe ich nie geführt. Das habe ich ernst genommen. Als nächstes bin ich mit meiner zweiten Option losgelaufen, nämlich, den Kinderwunsch abzuschließen. Klar bin ich da noch ab und an über 2-3 Jahre hin- und hergesprungen. Nur, letztendlich blieb ich dabei.


Wir haben jetzt immer nur über Dich gesprochen, wie erging es Deinem Mann?

Ja, das ist so ein Thema, das kennen sicherlich viele Frauen. Für meinen Mann war das Thema mit der Pro-Contra-Liste abgeschlossen (lacht). Er war und ist schon immer derjenige bei uns, der sehr schnell Entscheidungen trifft und sie nicht hinterfragt. Heute kann ich darüber lachen. Damals habe ich mich schrecklich einsam gefühlt. Und ich bin froh, dass Du in Deinen Beratungen darauf achtest, nach Möglichkeit alle Beteiligten beim Gespräch dabei zu haben. Klar, manchmal geht es nicht anders. Für meinen Mann war das Thema also abgeschlossen. Und, rückblickend gesehen, war es das für mich zum damaligen Zeitpunkt auch, denn, sonst hätte ich ja Kontakt zu Kliniken aufgenommen. Ich weiß nicht, ob es anders ausgegangen wäre, wenn mein Mann Druck gemacht hätte bzw. sich auch noch so sehnlichst ein zweites Kind gewünscht hätte. Ich glaube, ich hätte mich dann sogar noch früher noch klarer dagegen entscheiden können. Bei mir war es nämlich so, dass ich schon gerne noch ein Kind gehabt hätte, aber ich war nicht bereit, den Preis zu bezahlen. Damit meine ich nicht den finanziellen, sondern den körperlichen und mentalen Preis, den so eine Kinderwunschbehandlung mit sich bringt. Ich kenne mich ja damit aus. Und genau das wollte ich mir aber nicht eingestehen. Denn, dann wäre ich ja selbst verantwortlich dafür, dass ich kein 2. Kind habe. Und diese Verantwortung wollte ich nicht tragen. Vor allem, weil es mir ja so vorkam, als ob ich das jetzt am Ende alleine entscheide.


So geht es ja vielen Betroffenen, die sich in einer Kinderwunschbehandlung befinden. Deshalb bespreche ich mit meinen KundInnen noch bevor ihre Kinderwunschbehandlung startet, wie viele Behandlungen sie sich maximal zutrauen, emotional und finanziell. Und natürlich zählt dazu auch ein Plan B. Sprich, was machen wir eigentlich, wenn es nicht klappt. Das nimmt dann Druck raus.

Ja, also, mir hätte es sehr geholfen, da so ranzugehen. Dann wäre es zum einen etwas Gemeinsames gewesen, das uns durch den Prozess trägt. Auch, dass ein Ende in Sicht ist – egal ob sich das dann nochmal verschiebt. Außerdem wäre dann von Anfang an etwas in Aussicht gewesen, was ich beeinflussen kann, zum Beispiel meine lang ersehnte Selbständigkeit. Klar ersetzt das nicht das Kind, aber es ist auch eine wichtige Säule in meinem Leben, aus der ich viel Zufriedenheit ziehe. Wenn da am Ende dann nämlich nur ein schwarzes Loch ist und man sieht das auf sich zukommen, das ist schwierig. Dann doch lieber etwas, auf das man sich auch freuen kann. Außerdem finde ich, dass man so den Druck gleichmäßiger auf die Zeit der Kinderwunschbehandlung verteilt. Und man hat ja auch einen Punkt definiert, an dem zumindest erst mal neu nachgedacht wird.


Ich möchte zum Abschluss auf eine Thematik eingehen, die Du selbst schon anskizziert hast: Nämlich, dass es sich manche Betroffene auch dahingehend schwer machen, dass sie die richtige Entscheidung treffen möchten. Und die gibt es aus meiner Sicht nicht. Es gibt eine Entscheidung, die jeweils Vor- und Nachteile hat. Aber es gibt sehr oft eben nicht die eine richtige Entscheidung.

Wenn Du mir das vor 4 Jahren gesagt hättest, hätte mich das sehr entlastet. So musste ich mich selbst genau dahin durchkämpfen. Genau das habe ich nämlich am Ende gemacht, ich habe mich für einen Weg entschieden, der mir etwas näher lag als die Entscheidung, nochmal in die Kinderwunschklinik zu gehen. Der sich stimmiger anfühlte. Der andere Weg wäre aber auch möglich gewesen, wieder mit seinen Vor- und Nachteilen. Ich glaube, dass jede Frau (ich kann nur für die Frauen sprechen) am Ende spürt, ob sie jetzt aufhören möchte. Es ist nur die Frage, ob sie sich das eingestehen will und ob man (schon) bereit ist, den Preis dafür zu zahlen. In meinem Fall zum Beispiel, andere Geschwisterkinder zu sehen und den Schmerz in mir zu spüren und gleichzeitig zu wissen, dass es das so in meinem Leben nicht geben wird. Dann denke ich an meinen wundervollen Sohn und wie sehr ich unsere gemeinsame Zeit liebe und wie sehr ich es schätze, dass wir so spontan sein können. Das war auch ein langer Prozess.


Das ist wunderbar, liebe Kerstin. Du steuerst Deine Gedanken ganz bewußt woanders hin. Der Schmerz darf ja sein. Der hat ja auch seine Berechtigung. Aber er muss Dich ja nicht mit sich hinwegziehen in eine Negativspirale. Das ist wie ein Muskel, den wir trainieren können. Anfangs ist es schwer, da können wir vielleicht noch nicht das Positive sehen, aber können vielleicht zumindest schon mal gedanklich „Stop“ sagen. Kerstin, ich danke Dir, dass Du Dir Zeit genommen hast und mich und meine Leser einen Einblick in Dein Leben, in Deine Gefühle und Gedanken gegeben hast.




 

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