Kinderwunschzeit: Von Hilflosigkeit zur Selbstwirksamkeit

Wenn die ersehnte Schwangerschaft ausbleibt, tritt oft auch das Gefühl von Hilflosigkeit ins Leben der Betroffenen. Und tatsächlich lässt sich das Eintreten einer Schwangerschaft bis hin zur Geburt eines gesunden Kindes nur sehr begrenzt beeinflussen. Als besonders „ausgeliefert“ fühlen sich aus meiner Erfahrung gerade die Frauen, die sich in einer Kinderwunschbehandlung befinden. So ist dieser Prozess sehr stark durch die Klinik kontrolliert und getaktet und lässt auf den ersten Blick wenig Freiraum: Termine müssen eingehalten werden, seien es Ultraschalluntersuchungen, das Geben von Spritzen, das Warten auf den Embryotransfer, das Warten auf das Ergebnis eines Schwangerschaftstestes, das Hinnehmen von unangenehmen Ergebnissen oder Diagnosen. Dazu kommt, dass immer noch viele Kliniken rein auf der rationalen, Fakten basierten Ebene kommunizieren, jedoch die große emotionale Auswirkung beim Empfang dieser Ergebnisse nicht in ihre Kommunikation einbeziehen bzw. dies addressieren. Dies ist mit einer der Gründe, weshalb ich entschieden habe, psychosoziale Kinderwunschberaterin zu werden. Dabei möchte ich betonen, dass ein Umdenken stattfindet und es inzwischen durchaus Kliniken gibt, die den immensen Bedarf ihrer Klienten erkannt haben.

Oft stecken Betroffene so stark in diesem Gefühl der Hilflosigkeit und der Nicht-Spiegelung dieser Hilflosigkeit durch das medizinische Personal fest, dass sie verständlicherweise – ich kenne es aus eigener Erfahrung – übersehen, dass es sehr wohl Bereiche gibt, die sie beeinflussen und mitgestalten können. Je nachdem, wo Sie sich in Ihrem Prozess befinden, können dies ganz unterschiedliche Dinge sein. So etwa können Sie entscheiden, wieviel Raum Sie im Alltag dem Thema Kinderwunsch geben möchten: Wann sprechen Sie als Paar, mit Freunden darüber und wie lange, wie lange surfen Sie im Internet und wonach suchen Sie. Sie können selbst entscheiden, ob Sie zum Treffen mit ihren Freunden gehen, die schwanger sind oder kleine Kinder haben oder eben dieses Mal nicht. Sie haben Einfluss auf die Wahl der Kinderwunschklinik. Sie müssen auch nicht dort bleiben, wo sie sich nicht (mehr) wohlfühlen. Sie können entscheiden was Sie anziehen am Tag Ihrer Untersuchung, womit sie sich danach belohnen; gehen Sie arbeiten oder nicht, telefonieren Sie mit einem guten Freund oder wollen Sie einfach nur den ganzen Nachmittag Serien schauen. Soll Ihr Mann dabei sein, Sie abholen, etwas Schönes mit Ihnen unternehmen?

Aus eigener Erfahrung möchte ich sagen: Ich selbst empfand mich im Prozess der Kinderwunschbehandlung als sehr vulnerabel und ich habe erst im Laufe des Prozesses gelernt, meine Grenzen zu erkennen und zu kommunizieren. Zu Beginn meiner Behandlung habe ich Vieles hingenommen. Gerade in diesen Zeiten erhöhter Vulnerabilität ist es jedoch sinnvoll, behutsam mit uns selbst umzugehen. Und wenn das heißt, dass wir nicht wollen, dass heute die neue Assistenzärztin die Untersuchung macht, sondern die liebgewonnene Ärztin, mit der wir schon so viele gute Erfahrungen gemacht haben, dann sollten Sie es zumindest äußern. Ob dem dann nachgekommen werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Wichtig ist: Sie stehen für sich ein und Sie werden selbst Zeuge davon. „Ich bin wichtig und ich stehe für mich ein“. Nehmen Sie sich vor der Untersuchung nochmal bewusst Zeit, einmal tief ein- und aus zu atmen. Diese Minute gehört Ihnen und die haben Sie. Auch können Sie entscheiden, wer den Anruf der Klinik nach dem Schwangerschaftstest entgegennimmt und wie Sie es erfahren möchten. Besprechen Sie diese sehr emotionalen Abschnitte des Prozesses vorab und überlegen Sie, wie Sie diese gestalten möchten. Vielzählige Studien belegen, dass das Gefühl von Selbstwirksamkeit und eigener Aktivität und Kontrolle selbst in anspruchsvollen und auch schwierigen Situationen einen gravierenden Einfluss auf die eigene Widerstandsfähigkeit und Gesundheit hat.

Autorin: Daniela Zeibig